Achtsamkeit ist das unvoreingenommene Gewahrsein, welches durch das absichtsvolle und kontinuierliche Beachten eigener augenblicklicher Erfahrungen mit einer offenen, annehmenden, wohlwollenden und mitfühlenden Haltung entsteht.
Achtsamkeit ist auch ein Akt der Gastfreundschaft, des bedingungsfreien Willkommenseins. Ein Weg zu lernen, uns selbst mit einer liebevollen Güte zu behandeln, die dann langsam in die tiefsten Tiefen unseres Seins durchzusickern beginnt, während sie uns nach und nach die Möglichkeit eröffnet, zu anderen in derselben Weise in Beziehung zu treten. Der Prozess verlangt von uns, dass wir die Möglichkeit in Erwägung ziehen, uns selbst ungeachtet dessen, was wir fühlen oder denken, Gastfreundschaft zu erweisen und allem Raum zu geben, was sich zeigen möchte. Und in diesem Raum können wir selbst das Licht anmachen und alles, was sich zeigt, klarer sehen und freundlich und liebevoll betrachten. Es hat viel damit zu tun, uns selbst in der Konfrontation mit den rauen, dunklen, schwierigen oder unausgegorenen Aspekten und den Unzulänglichkeiten unseres Lebens mit Mitgefühl zu begegnen. In diesem Raum des offenen Gewahrseins geben wir uns und finden wir in uns selbst ein Zuhause.
Wir alle können das Licht in uns und in unserem Leben entdecken, indem wir achtsam und mitfühlend die Risse darin erforschen. Mit einer inneren Haltung, die Ganzheit und Vollkommenheit in der Unvollkommenheit verkörpert, können wir die Fähigkeit entwickeln, auch schwierigen Situationen und Emotionen (wie Wut, Trauer, Verzweiflung oder Angst), Zerrissenheit und Widerstand, körperlichen Schmerzen oder inneren Quälgeistern und Saboteuren mit Freundlichkeit, Mitgefühl, Akzeptanz, wohlwollender Güte und Sanftmut zu begegnen.
Mitgefühl beinhaltet die natürliche in uns angelegte Fähigkeit, dem Leiden von allen Lebewesen (Menschen, Tieren und Pflanzen) gegenüber mit Einfühlungsvermögen und Verständnis zu begegnen. Wir erkennen uns im Anderen mit einer liebevoll verbundenen Präsenz und folgen dem natürlichen Impuls und Wunsch, das Leiden lindern zu wollen.
Die uns allen innewohnende Herzensfähigkeit, mitfühlend auf Schmerz, Leiden und auch glückliche Momente der Mitfreude zu antworten, kann durch eine regelmäßige Mitgefühlspraxis entwickelt, genährt, vertieft und kultiviert werden. Begegnen wir uns selbst mit liebevoller Güte und Sanftmut, können wir auch andere Menschen auf diese Weise wertschätzen, annehmen und ihnen begegnen.
Selbstmitgefühl betont die Perspektive, dass wir diese Fähigkeit und Haltung auch uns selbst gegenüber einnehmen können und uns in schwierigen Situationen selbst nah sein und beruhigen können. Wir lernen, uns selbst liebevoll zu begegnen und uns Wärme, Sicherheit und Geborgenheit zu schenken.
Die Unzulänglichkeiten und Krisen in unserem Leben können zu unseren größten Lehrern und Lerngeschenken werden. Wir können innehalten und uns von ihnen den Weg zu unseren tieferen Werten weisen lassen. Wenn wir uns von Herzen unseren Verletzungen, Verlusten und emotionalen Wunden zuwenden, können wir die Kraft der Selbstheilung nutzen und die uns allen innewohnende wohlwollende Güte entdecken. Die Praxis von Achtsamkeit und Mitgefühl kann eine Befreiung inmitten des Leidens ermöglichen. Wir lernen, achtsam zu erspüren, was es braucht, um diese Wunden zu pflegen, so dass Heilung geschehen darf.
Wir können schauen und entdecken, was es braucht, um unser inneres Licht zum Leuchten zu bringen. Die Praxis des Mitgefühls erfordert ein situatives Einfühlen und eine Abstimmung auf das, was nötig und weise ist. Manchmal braucht es Sanftmut, Zärtlichkeit und liebevolle Güte, wie die liebevollen Arme einer warmherzigen Großmutter, die uns halten und uns Sicherheit, Liebe und Geborgenheit geben – in Form von Yin-Mitgefühl als weibliche Kraftquelle in uns. Wenn wir in unserer Yin-Energie zentriert sind, stärkt dies unser Ur-Vertrauen und es fällt uns leicht, inmitten der Ungewissheit, der Unsicherheit, der Unvollkommenheit und den Schwierigkeiten des Lebens zu sein und in unserer Mitte gefestigt zu bleiben. Wir erlauben das Leben. Und das Leben erlaubt uns. Wir können uns dem Fluss des Lebens vertrauensvoll hingeben.
In anderen Momenten ist manchmal die feste Entschlossenheit und Tatkraft vom Yang-Mitgefühl gefragt. Wenn wir in unserer männlichen Energie zentriert sind, fällt es uns leicht, proaktiv zu sein, die Geschehnisse liebevoll zu beeinflussen, ihnen eine Richtung zu geben und voller Energie mitzugestalten. Sind wir im inneren Gleichgewicht und in unserer Mitte, spüren wir, wann es angemessen ist, uns unserer weiblichen Energie hinzugeben und wann es angemessen ist, uns in unserer männlichen Energie zu zentrieren. Auch hier erweist sich eine nicht-urteilende Achtsamkeitspause als weise, um in jeder Situation ihre Einzigartigkeit zu erkennen. Mit einem offenen Gewahrsein lässt sich mitfühlend erspüren, was ein kluger nächster Schritt im Hier und Jetzt sein könnte.